Verhaltenspsychologie und die Effizienz von Prognosemärkten (Teil 1)

Der Urlaub ermöglicht einem endlich wieder mal ein Buch gründlich zu lesen. So habe ich mich an Daniel Kahnemans Bestseller “Thinking, Fast and Slow” gemacht. Die Ferienlektüre hat sich gelohnt: Kahnemans Lebenswerk ist spannend wie ein guter Roman und steckt voller interessanter und praxisrelevanter Einsichten. Nobelpreisträger Kahneman ist vielleicht der wichtigste Vertreter der der verhaltenstheoretischen Analyse ökonomischen Handels (Behavioural Economics) der letzten Jahrzehnte. In seinen vielen Studien hat der Psychologe genüsslich die Annahmen der klassischen Ökonomie über das Verhalten von Individuen widerlegt und ihr alternative Theorien gegenübergestellt. Wie so viele ökonomische Theorien basieren auch jene Theorien, welche die Effizienz von Prognosemärkten begründen, auf den Annahmen ökonomischer Rationalität (insbesondere Kosten-Nutzen Abwägung und Risikoneutralität). So habe ich mich gefragt: Was bedeutet es für die Effizient von Prognosemärkten, wenn einige Annahmen über die ökonomischer Rationalität der Prognosemarktteilnehmer falsch sind?

Zuerst einmal gilt es festzuhalten, dass die “Verletzung” der Rationalitätsannahmen auf Prognosemärkten geringer sein dürfte als in anderen Lebenssituationen. Dies ist zumindest dann der Fall, wenn für die Teilnehmer auch tatsächlich ökonomische Anreize vorhanden sind (weshalb auf politikprognosen.ch mit Echtgelt gehandelt wird). Wie auch Kahneman in seinem Buch zeigt, verlieren Händler, welche nicht strikt der ökonomischen Rationalität folgen, über kurz oder lang Geld. Das führt dazu, dass jene Händler, welche rational handeln, über zunehmende finanzielle Mittel und damit Marktmacht verfügen. Den anderen Teilnehmern bleibt dann nur daraus ihre Lektion zu lernen und ebenfalls rational zu handeln; andernfalls werden sie aus dem Markt gedrängt (ihr Guthaben auf dem Prognosemarkt tendiert dann gegen 0). Dieser Effekt ökonomischer Anreize hat dazu geführt, dass Prognosemärkte mit grossem finanziellen Volumen wie Intrade oder der Iowa Electronic Market besonders akurate Vorhersagen generiert haben.

Allerdings ist das Festlegen ökonomischer Anreize nicht ohne Tücken. Neben juristischen Problemen bei Prognosemärkten, bei welchen Teilnehmer mit ihrem eigenen Geld partizipieren (politikprognosen.ch stellt das Guthaben den Teilnehmern zu Verfügung), kann es bei einer Öffnung für unbeschränkt hohe Einsätze zu Monopolbildung und damit zu Manipulationen kommen. Ein weiteres Problem ist, dass die Teilnehmer an Prognosemärkten nicht immer dieselben bleiben. Einige Teilnehmer ziehen sich aus dem Spielbetrieb zurück während neue dazu kommen. Die neuen Teilnehmer haben aber die Effekte von nicht rationalem Verhalten noch nicht erlebt, weshalb sie dieses möglicherweise noch nicht erlernt haben. Dies ist ein wichtiges Argument dafür, Prognosemärkte über lange Zeiträume durch zu führen und nicht für einzelne Ereignisse neu aufzusetzen. Unausweichliche Veränderungen im Teilnehmerfeld bergen aber auch dann die Gefahr nicht rationales Verhaltens mit sich zu bringen.

Die grosse Qualität von Märkten ist es, dass die rationalen Teilnehmer von der Irrationalität anderer Teilnehmer profitieren und damit immer wieder Effizienz herstellen können. Eine notwendige Begrenzung ökonomischer Anreize und damit einhergehend ein begrenzter Zeitaufwand der rationalen Teilnehmer dürften aber dazu führen, dass in der Realität nicht alle irrational gefällten Entscheide auf dem Prognosemarkt ausgeglichen werden.
Mit der Optimierung der Durchführung von Prognosemärkten sind zwar die wichtigsten potentiellen Verzerrungen in den Griff zu kriegen. Alle möglichen Verzerrungen dürften jedoch nicht aus der Welt geschafft werden können.

Wie können in einer solchen Situation die Vorhersagen von Prognosemärkten optimiert werden? Dies geht nur indem man untersucht, welche Verzerrungen auf dem Prognosemarkt stattfinden und für diese korrigiert. Daniel Kahneman zeigt in “Thinking, Fast and Slow” viele typische Verhaltensweisen auf, welche vom Ideal der ökonomischen Rationalität abweichen, welche auch für das Verhalten auf Prognosemärkten plausibel sind.