Pikantes zur Masseneinwanderungs-Initiative

Nach der Abstimmung ist vor der Abstimmung. Nur einen Tag nach dem Volksverdikt vom vergangenen Sonntag warb der Bundesrat vor den Medien für eine Ablehnung der Masseneinwanderungs-Initiative der Schweizerischen Volkspartei (SVP). Dabei stach ins Auge, dass gleich drei Mitglieder der Landesregierung an der Pressekonferenz teilnahmen. Damit signalisierte der Bundesrat, wie stark ihm ein Nein am 9. Februar des kommenden Jahres am Herzen liegt. In der Tat steht viel auf dem Spiel. Nach Ansicht der Gegner stellt die Forderung der Initiative, Höchstzahlen und Kontingente für Aufenthaltsbewilligungen von sämtlichen AusländerInnen einzuführen, das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Europäischen Union (EU) in Frage.

Der Auftritt zu dritt lässt sich aber auch inhaltlich begründen. Die Volksinitiative betrifft drei thematische Aspekte: die Beziehungen mit der EU im Rahmen der bilateralen Verträge, die Frage der Einwanderung in die Schweiz sowie den Zugang zum hiesigen Arbeitsmarkt. Insofern lässt sich nachvollziehen, dass der Aussenminister Didier Burkhalter, die Justizministerin Simonetta Sommaruga und der Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann gemeinsam an die Öffentlichkeit traten.

Das Pikante liegt nun darin, dass ausgerechnet in diesen drei thematischen Bereichen die Meinungen zwischen Elite und Volk bei eidgenössischen Volksabstimmungen am stärksten auseinanderdriften. Wie aus einem neulich erschienenen Artikel des Politgeographen Michael Hermann hervorgeht, ist die Stimmbevölkerung nicht nur in weit höherem Ausmass ausländerkritisch eingestellt als das Parlament, sondern auch in Bezug auf aussenpolitischen Öffnungen und wirtschaftlichen Liberalisierungen vertritt sie im Durchschnitt weit restriktivere Haltungen. Die grösste Differenz ergibt sich bei migrationspolitischen Vorlagen, wobei diese im Ständerat (41%) deutlich höher ausfällt als im Nationalrat (25%). Das gleiche Muster lässt sich auch in der Aussenpolitik (36% bzw. 20%) und bei wirtschaftlichen Liberalisierungen feststellen (27% und 17%).

Der Ständerat hat dem Volk die Masseneinbürgerungs-Initiative mit 37:5, der Nationalrat mit 140:54 Stimmen zur Ablehnung empfohlen. Die anschauliche Analyse von Hermann lehrt uns, dass im Hinblick auf den 9. Februar trotz des hohen Nein-Anteils im Parlament von 88% respektive 72% die Würfel noch nicht gefallen sind. Das frühe und demonstrativ geschlossene Auftreten des Bundesrats lässt sich vermutlich auf diese Unsicherheit zurückführen.

Quelle: Hermann, Michael (2014). Elite und Basis im Spannungsfeld. In: Heike Scholten & Klaus Kamps (Hrsg.): Abstimmungskampagnen: Vermittlung in der Referendumsdemokratie (S. 123-137). Wiesbaden: Springer VS.

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