Es ging um die Bratwurst

Im September des vergangenen Jahres stimmte die Schweizer Stimmbevölkerung einer Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten von Tankstellenshops zu. Die Vorlage schaffte die arbeitsgesetzlich Grundlage, damit die zwei Dutzend betroffenen Betriebe auf Autobahnraststätten und Hauptverkehrswegen mit starkem Reiseverkehr rund um die Uhr Personal beschäftigen konnten. Dabei bestritten die Befürworter eine einfallsreiche Kampagne.

BW1Wie aus der in diesen Tagen erscheinenden APS-Inserateanalyse der Abstimmungsvorlagen vom 22. September hervorgeht, versuchten die Befürworter nicht – wie man hätte erwarten können -mit dem Verweis auf positive Konsequenzen von längeren Ladenöffnungszeiten die StimmbürgerInnen von einem Ja zu überzeugen. So spielten Aussagen über die Sicherung oder die Erhöhung von Arbeitsplätzen eine marginale Rolle. Die Ja-Seite zielte vielmehr auf die ihrer Ansicht absurden Sortimentsvorschriften ab.

BW2Gemäss der bisher geltenden Regelung durften die Tankstellenshops zwischen 1 und 5 Uhr morgens nur Produkte verkaufen, die einem besonderen Kundenbedürfnis entsprachen. Dies hatte zur Folge, dass die Verkaufsstellen einen Teil ihres Sortiments abdecken mussten. So konnten die Tankstellenshops während der Nacht roh konsumierbare Cervelats anbieten, nicht jedoch Bratwürste, da diese vor ihrer Einnahme gekocht werden müssen. Die Befürworter machten sich diesen Umstand zu Nutze, indem sie auf sämtliche Inserate ein Logo platzierten, auf dem eine Hand in militanter Manier eine Bratwurst in die Luft hält. In knapp einem Viertel der 292 Inserate des Ja-Lagers, die in den letzten acht Wochen vor dem Abstimmungsdatum in 56 Schweizer Pressetiteln publiziert wurden, entpuppte sich dieses Sujet gar als einziges graphisches Element. Der Slogan dieser Inserate forderte nichts weniger als die Legalisierung der Bratwürste (s. erste Abbildung).

Auch in den restlichen Anzeigen wurde dieser Aspekt regelrecht ausgeschlachtet – sei es im Rahmen von Produktgegenüberstellungen oder Testimonial-Inseraten. So warb Martin Bäumle, der Präsident der Grünliberalen, mit der Aussage „damit man wieder einen Cervelat und eine Bratwurst kaufen darf“ für eine Annahme der Vorlage. Und die Berner Nationalrätin Christa Markwalder (FDP) schrieb sich gar die „Gleichstellung für Bratwürste und Cervelats“ auf die Fahne.

Das Bratwurst-Logo prägte die Kampagne so stark, dass sich selbst das Contra-Lager dazu gezwungen sah, darauf zu reagieren. Die „Sonntagsallianz“ publizierte in den letzten drei Wochen Inserate, die auf das Hauptsujet der befürwortenden Seite Bezug nahm. Abgebildet wurde eine von einer Hand empor gehaltene Wodka-Flasche, wobei die rhetorischen Frage „Noch mehr Saufgelage in der Nacht?“ gestellt wurde (s. zweite Abbildung). Auf die Liberalisierung der Bratwurst antworteten die Gegner also mit vermeintlich negativen Konsequenzen des nächtlichen Verkaufs von alkoholischen Getränken.

Quelle: Bernhard, Laurent (2014). APS-Inserateanalyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 22. September 2013. Bern: Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.