Warum stürzt am Sonntag die GLP-Initiative ab?

Die Volksinitiative „Energie- statt Mehrwertsteuer“ der Grünliberalen wird aller Voraussicht nach wuchtig verworfen. Das Prognosemodell von 50plus1 erwartet einen Ja-Anteil von 19 % und die Teilnehmenden der Börse von politikprognosen.ch einen solchen von 16%. Auf den ersten Blick mag dieses schlechte Abschneiden überraschen. Beim Begehren handelt es sich um ein mehrheitsfähiges Anliegen, wird doch eine ökologische Zielsetzung (Steigerung der Energieeffizienz, Umstieg auf erneuerbare Energien und Reduktion des CO2-Ausstosses) mit einem liberalen Ansatz (Ersetzung der Mehrwertsteuer durch eine fiskalische Verteuerung fossiler Energieträger) verfolgt. Der Mechanismus der Lenkungswirkung der vorgeschlagenen Steuerreform wird in seinem Grundsatz kaum in Frage gestellt. Zudem besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass ohne finanzielle Anreize die vom Parlament beschlossene Energiewende nicht realisiert werden kann.

Warum werden die Initianten eine herbe Niederlage erleiden? Ein Blick in die Vergangenheit liefert eine plausible Antwort. Seit den 1980er wurde auf eidgenössischer Ebene drei Mal über Volksinitiativen abgestimmt, die eine Besteuerung nicht erneuerbarer Energien forderten. Dabei fällt auf, dass die Zustimmung abnahm, je konkreter die Ausgestaltung eines Lenkungssystems formuliert wurde:

– Einen Achtungserfolg landete die von der Schweizerischen Energie-Stiftung und weiteren Umweltorganisationen lancierte Volksinitiative „für eine sichere, sparsame und umweltgerechte Energieversorgung“. Am 23. September 1984 – notabene anderthalb Jahre vor der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl – sprachen sich 45,8% der teilnehmenden Stimmbevölkerung für die Vorlage aus. Dieses schrieb sich das Energiesparen auf ihre Fahnen. Zur Finanzierung der entsprechenden Massnahmen sollten u.a. Abgaben auf fossile Rohstoffe erhoben werden. Der Initiativtext ging nicht auf Modalitäten dieser Steuer ein.

– Am 24. September 2000 erreichte die Solar-Initiative eine Zustimmung von 31,9%. Die von atomkritischen Kreisen eingereichte Volksinitiative sah eine zweckgebundene Abgabe auf nicht erneuerbaren Energien im Umfang von bis zu 0.5 Rappen pro Kilowattstunde vor. Deren Einnahmen sollten mindestens zur Hälfte der Förderung der Sonnenenergie zukommen.

– Auf wenig Gegenliebe stiess das von den Grünen stammende Begehren „für eine gesicherte AHV- Energie statt Arbeit besteuern“. Am 2. Dezember 2001 stimmten nur 22,9% für diese Initiative, die erneuerbaren Energieträger sowie die Elektrizität von Grosswasserkraftwerke mit einer zweckgebundenen Steuer belegen wollte. Mit dem Erlös sollte eine Herabsetzung des Rentenalters und darüber hinaus eine sozialverträgliche Reduktion von Sozialversicherungsbeiträgen (AHV, IV, EO und ALV) finanziert werden.

Angesichts des Umstandes, dass die Initiative „Energie- statt Mehrwertsteuer“ eine ganze Reihe von technischen Details enthält, erstaunt es nicht, dass im Hinblick auf Sonntag von einer tiefen Zustimmung auszugehen ist. Die historische Erfahrung legt den Schluss nahe, dass sich die Grünliberalen in ihrem Initiativtext besser auf den Grundsatz einer ökologischen Steuerreform beschränkt hätten.

Quelle: Linder, Wolf, Bolliger, Christian und Yvan Rielle (2010). Handbuch der eidgenössischen Volksabstimmungen. Bern; Haupt.