Kommentar zu den teuersten Abstimmungskampagnen seit fünf Jahren

Gestern hat die SonntagsZeitung eine brisante Auswertung zu den auf eidgenössischer Ebene zehn teuersten Abstimmungskampagnen der letzten fünf Jahre publiziert. Diese von Media Focus durchgeführte Auswertung basiert auf Werbeausgaben, wobei die Bruttokosten herangezogen wurde. Der Umfang der berücksichtigten Quellen ist beeindruckend. Das Zürcher Medienforschungsunternehmen hat nicht nur in der Presse platzierte Inserate, sondern auch Aussenwerbung (insb. Plakate) sowie elektronische Medien (u.a. Online-Werbung) berücksichtigt.

Die meisten der ausgewiesenen Kennzahlen erscheinen a priori plausibel – sowohl was die absolute Höhe der Ausgaben betrifft als auch die Anteile der jeweiligen Pro- und Contra-Lager. So wird die Masseneinwanderungsinitiative mit knapp mehr als 10 Millionen Franken als Fall mit der weitaus höchsten Präsenz im gekauften Raum ausgewiesen. Auch das Verhältnis zwischen der befürwortenden (29%) und der ablehnenden Seite (71%) entspricht weitgehend dem gängigen Verständnis dieser Kampagne und auch einer früheren Analyse (Bernhard et al. 2014).

Allerdings sind die veröffentlichten Indikatoren nicht frei von Fehlschätzungen und systematischen Verzerrungen. Dies liegt unter anderem daran, dass die kostspieligen und momentan ziemlich beliebten direct mailings (d.h. Direktversände) nicht einbezogen wurden. Auf unmissverständliche Weise zeigt sich dies am Beispiel der Durchsetzungsinitiative (DSI), die im Zentrum des oben erwähnten Zeitungsartikels steht. Die SVP liess bekanntlich im Januar 2016 ein Extrablatt an alle Haushalte der Schweiz verschicken, in dem sie für eine Annahme warb.

Die effektiven Kampagnenausgaben der Pro-Seite dürften also im Fall der DSI weit höher gewesen sein als die rund 1.4 Millionen Franken, die von Media Focus errechnet wurden. Dadurch werden sowohl die Gesamtsumme der eingesetzten Mittel im Rahmen dieser Abstimmungskampagne als auch der Anteil der befürwortenden Seite deutlich unterschätzt.

Bestätigt wird dieser Eindruck durch einen Vergleich mit der Ausschaffungsinitiative, die im November 2010 von Volk und Ständen angenommen wurde. Damals griff die SVP noch nicht auf flächendeckende Direktversände zurück. Für die Pro-Seite weist Media Focus mit knapp 3.6 Millionen Franken einen finanziellen Aufwand aus, der rund zweieinhalb Mal höher liegt als bei der DSI. Es mag sein, dass auf Seiten der Befürworter weniger Geld ausgegeben wurde als vor gut fünf Jahren. Die Nichtberücksichtigung von Direktversänden lässt die Differenz aber als zu gross erscheinen.

Fazit: Die publizierten Zahlen liefern wertvolle Hinweise über die Grössenordnung von Kampagenbudgets, die hierzulande im Rahmen von Volksabstimmungen eingesetzt werden. Allerdings sind diese nicht immer zum Nennwert zu nehmen – eine gewisse Vorsicht und eine gesunde Skepsis sind also angezeigt. Jedenfalls wissen nach wie vor nur eingeweihte Kreise über die Höhe der exkten Beträge Bescheid, die bei einzelnen Abstimmungskampagnen tatsächlich fliessen.

Erwähnte Studie: Bernhard, Laurent, Marc Bühlmann, Marlène Gerber & Maximilian Schubiger (2014). APS-Inserateanalyse der eidgenössischen Abstimmungen vom 9. Februar 2014. Bern: Institut für Politikwissenschaft der Universität Bern.