Service public von 50plus1

In den letzten zwei Wochen haben mich drei Journalisten auf die Volksinitiative “Pro Service Public” angesprochen. Angesichts dieses überdurchschnittlichen Interesses publiziert 50plus1 im Sinne einer Servic-Public-Dienstleistung eine summarische Einschätzung zu dieser Abstimmungsvorlage.

Eine kleine Sensation liegt in der Luft. Gemäss den letzten Meinungsumfragen dürfen sich die Befürworter der Volksinitiative “Pro Service public” weiterhin ernsthafte Hoffnungen auf einen Abstimmungssieg machen. Dies ist insofern bemerkenswert, als den Initianten seit Einreichung ihres Begehrens jegliche Unterstützung verwehrt geblieben ist. Nachdem die Vorlage im Rahmen der parlamentarischen Beratungen in seltener Einstimmigkeit bachab geschickt wurde, setzt sich im aktuellen Abstimmungskampf keine einzig relevante Organisation dafür ein.

Die Initiative bedient sich eines ausgeprägten Empörungspotentials. In die Höhe schnellende Managergehälter, geschlossene Poststellen, nicht mehr bediente Bahnhöfe sowie regelmässige Preiserhöhungen sind breiten Bevölkerungskreisen schon seit längerem ein Dorn im Auge. Diese angestauten Frustrationen wirken wie Wasser auf die Mühlen des Pro-Lagers.

Zu Beginn der Kampagne hat der befürwortenden Seite zudem der Umstand in die Hände gespielt, dass keine lebhafte Debatte über die Vor- und Nachteile der Volksinitiative zu Stande kam. Letzteres ist auch nicht erstaunlich, wenn man sich vor Augen führt, dass am 5. Juni allein auf eidgenössischer Ebene über fünf Vorlagen abgestimmt wird, die sich in thematischer Hinsicht erst noch ganz erheblich unterscheiden. Im Buhlen um die knappe Ressource Aufmerksamkeit spielte die Service-public-Vorlage zunächst eine untergeordnete Rolle.

Mit den hohen Zustimmungsraten, die von den Demoskopen ausgewiesenen wurden, hat sich dies schlagartig geändert. Die breite Front der Initiativgegner wurde regelrecht aufgerüttelt. Nachdem die Gefahr einer Annahme unterschätzt wurde, traten sie verstärkt in die Öffentlichkeit. Auch die Massenmedien haben sich in ihrer Berichterstattung häufiger mit der Service-Public-Initiative beschäftigt. Die Möglichkeit einer Niederlage der Bundesbehörden und des restlichen Polit-Establishments geniesst einen hohen Nachrichtenwert.

Die erhöhte Intensität der öffentlichen Debatte dürfte zu einem Rückgang des Ja-Anteils führen. Je mehr sich die StimmbürgerInnen mit der Vorlage beschäftigen desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Vorhaben kritisch beurteilen. Selbst in Kreisen, die der Vorlage grundsätzlich wohlwollend gesinnt sind, können bei näherer Auseinandersetzung mit dem Initiativtext leicht Zweifel aufkommen. Im vorliegenden Fall könnte sich die Ansicht durchsetzen, dass die Abkehr von der Gewinnorientierung und das Quersubventionierungsverbot zu radikale Forderungen darstellen, von denen kontraproduktive Auswirkungen ausgehen.

Angesichts des breit abgestützten Contra-Lagers wäre es nicht überraschend, wenn diese Zustimmungserosion ein beträchtliches Ausmass annehmen würde. Ein Nein liegt also nach wie vor im Bereich des Möglichen. Sollten sich jedoch am 5. Juni Volk und Kantone für die Volksinitiative aussprechen, könnte unter den Umständen einer verhältnismässig intensiv geführten Debatte von keinem Zufallserfolg die Rede sein.