Weshalb liegen GfS und Tages-Anzeiger bei den Umfrageergebnissen so weit auseinander?

Heute haben GfS und der Tages-Anzeiger die erste Welle ihrer Umfragen zu den Abstimmungen vom 12. Februar publiziert. Sie kamen dabei auf sehr unterschiedliche Zustimmungswerte für die drei Vorlagen. So liegen die Zustimmungswerte bei GfS durchwegs deutlich höher als in der TA-Umfrage, wobei in Bezug auf die erleichterte Einbürgerung für Personen der dritten Generation der Unterschied nicht weniger als 24 Prozent beträgt. Wie ist es möglich, dass zwei Umfragen mit derselben Fragestellung auf derart unterschiedliche Resultate stossen? Die Frage ist berechtigt, denn beide Urheber behaupten, dass sie Momentaufnahmen für die ganze Stimmbevölkerung abbilden. Dies ist aber ganz offensichtlich nicht der Fall.

Um den Unterschied zwischen den beiden Umfragen auf die Spur zu kommen, sollte man sich zuerst von der Vorstellung verabschieden, dass Umfragen ohne weiteres Zutun repräsentativ sind. Auch wenn man über die Telefonnummern aller Stimmbürger verfügen würde und daraus eine Zufallsstichprobe zöge, käme man nicht auf ein repräsentatives Sample. Denn unterschiedliche Bevölkerungsgruppen sind unterschiedlich erreichbar und tendieren nicht alle gleich dazu Auskunft zu geben.

Das ist ein Problem für alle so genannt repräsentativen Bevölkerungsumfragen. Folgerichtig gewichten sowohl GfS als auch Lucas Leeman und Fabio Wasserfallen (im Auftrag des Tages-Anzeiger) ihre Umfragen, um sie repräsentativ werden zu lassen. Mit anderen Worten berücksichtigen sie die Antworten von Personen stärker, die Gruppen angehören, welche in unterdurchschnittlicher Zahl an der Umfrage teilnehmen. Nun ist es allerdings in der Praxis sehr schwierig alle relevanten Gruppenmerkmale zu berücksichtigen und oftmals sind die Verteilungen dieser Merkmale für die Stimmbevölkerung gar nicht bekannt.

Das Problem, dass Umfragen nicht repräsentativ sind, ist jedoch bedeutend grösser für die TA-Umfrage als für jene des GfS. Denn bei Ersterer handelt es sich um eine ‘Opt-In’ Befragung, bei welcher Online-LeserInnen der TA-Produkte sich in eine Umfrage einklicken. Die Stichprobe dieser Befragung dürfte daher viel stärker verzerrt sein als jene herkömmlicher Telefonbefragungen.

Die TA-Umfrage zeichnet sich jedoch durch einen gewichtigen Vorteil aus. Dieser besteht darin, dass eine bedeutende Anzahl an Personen regelmässig an den Umfragen teilnimmt. Dies dürfte es Leeman und Wasserfallen zumindest in gewissen Fällen ermöglichen, die Antworten derselben Personen über die Zeit zu verfolgen und mit den tatsächlichen Ergebnissen in Zusammenhang zu bringen. Wenn ich mich nicht täusche, dann heisst dies in der Praxis, dass die beiden Politologen zumindest teilweise vom Zusammenhang zwischen den Umfragewerten und den Abstimmungsergebnissen in der Vergangenheit auf jene in der Zukunft extrapolieren. Das ergibt Sinn und kann wohl erklären, weshalb die letzte Umfrage vor dem Abstimmungstermin in der Regel erstaunlich nahe am Ergebnis liegt. Es macht die Umfrage aber nicht mehr zu einer reinen Momentaufnahme sondern zu einer Mischung von Momentaufnahme und Prognose. Und dies dürfte ein Grund dafür sein, weshalb die heute publizierten Umfragewerte derart stark von jenen des GfS abweichen.