Altersvorsorge 2020: Welche Argumente stechen?

Gemäss dem Prognosemarkt von 50plus1 liegen die BefürworterInnen der Rentenreform in Führung. Sowohl bei der Altersvorsorge als auch bei der Zusatzfinanzierung betragen die Annahmewahrscheinlichkeiten etwa 70%. Der Ausgang ist aber noch völlig offen. Der Abstimmungskampf wird erst nach den Sommerferien so richtig Fahrt aufnehmen und die Abstimmung entscheiden. Hinzu kommt, dass die Reform nur zu Stande kommt, wenn die Stimmbevölkerung beiden Vorlagen zustimmt. In Bezug auf die Zusatzfinanzierung ist nicht nur das Volksmehr, sondern auch das Ständemehr erforderlich.

Um herauszufinden, welche Argumente im Abstimmungskampf voraussichtlich überzeugen und mobilisieren werden, hat 50plus1 vom 27. Juli bis zum 3. August auf Facebook ein Umfrageexperiment durchgeführt. Daran haben 312 Personen teilgenommen. Es handelt sich um ein Experiment, weil die Teilnehmer zufällig mit jeweils einem Argument für oder gegen die Rentenreform konfrontiert wurden, bevor wir sie nach ihrer Meinung zur Rentenreform gefragt haben.

Es wurden vier Argumente getestet. Ein Pro-Argument lautete: “Es gibt Leute, die sagen, dass mit der Reform die Höhe der heutigen Renten gerettet werden.” Das andere Pro-Argument besagte, dass die Rentenreform die AHV auf eine sichere Basis stellt. Die Contra-Argumente machten geltend, dass die Mehrwertsteuer nicht erhöht werden dürfe und dass die Reform auf Kosten der Jungen gehe. Zu Vergleichszwecken wurde eine fünfte Zufallsgruppe gebildet, die mit keinem Argument konfrontiert, sondern direkt nach ihrer Meinung zur Rentenreform gefragt wurde.

Die Umfrage wurde in allen rein deutschsprachigen Kantonen sowie in Bern bei an Politik und sozialen Themen interessierten Personen aller Altersgruppen geschaltet. Somit wurde ganz bewusst keine repräsentative Stichprobe angestrebt. Es handelt sich hier um einen hard test. Wenn ein Argument bei diesen politisch stark interessierten Personen zu Meinungsänderungen führen würde, dann müsste dies bei den weniger politisierten StimmbürgerInnen in mindestens so starkem Ausmass zutreffen.

Keines der vier Argumente, die wir getestet haben, zeigt jedoch einen systematischen Effekt auf die Präferenzen zur Rentenreform. Es ist davon auszugehen, dass bei einem bereits bekannten Thema wie der Rentenreform unsere politisch überdurchschnittlich interessierten Teilnehmer ihre Meinung bereits weitgehend gemacht hatten, bevor wir sie mit einem Argument konfrontierten. Dafür spricht auch, dass nur 7 Prozent der Befragten noch nicht wissen, wie sie am 24. September stimmen werden. Zu einem ähnlichen Resultat kam ein Forscherteam um Michael Bechtel bei einem ähnlichen Experiment, das mit einem repräsentativen Sample die Ausschaffungsinitiative analysierte.

Für zwei Subpopulationen können wir jedoch moderate Effekte vorweisen. So haben unter den Personen, die im Herbst 2016 gegen die AHVplus Initiative gestimmt haben, signifikant mehr Befragte angegeben, dass sie nur “eher” und nicht sicher gegen die Rentenreform sind, wenn sie vorher mit dem Pro-Argument, dass die Reform die Höhe der AHV sichere, konfrontiert wurden (siehe Abbildung). Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass es sich für die befürwortende Seite auszahlen könnte auf dieses Argument zu setzen.

Abbildung: Einstelllungen zur Rentenreform bei Personen, welche gegen die AHVplus-Initiative gestimmt haben, nach Experimentalgruppe (N=106)

Auch für die BefürworterInnen der Rentenreform, die sich für die AHVplus Initiative ausgesprochen hatten, lässt sich ein “Abschwächungs-Effekt” dokumentieren. Aus dieser Kategorie haben signifikant weniger Leute angegeben, dass sie für und nicht bloss “eher” für die Reform sind, wenn sie mit dem Contra-Argument konfrontiert wurden, wonach die Mehrwertsteuer nicht erhöht werden dürfe. Diese Botschaft könnte also bei typischen Befürwortern für gewisse Zweifel an den Vorteilen der Reform sorgen.

Insgesamt konnten aber in unserem Experiment kaum argumentbasierte Effekte auf die Meinungen der Befragten nachgewiesen werden. Dies bestätigt zwei Binsenwahrheiten der Kampagnenforschung. Erstens ist es schwierig während dem Abstimmungskampf die Meinung der Stimmbürger zu beeinflussen – Prädispositionen, Parteibindungen, Vertrauen in die Regierung oder persönliche Betroffenheit spielen eine dominante Rolle. Und zweitens ist dies am ehesten bei politisch wenig politisierten StimmbürgerInnen möglich.

Literatur:
Bechtel, Michael M., Jens Hainmueller, Dominik Hangartner und Marc Helbling. 2015. “Reality Bites: The Limits of Framing Effects for Salient and Contested Policy Issues.” Political Science Research and Methods 3, Nr. 3: 683–695. doi:10.1017/psrm.2014.39.