Überschätzte Medienberichterstattung bei der Bundesratswahl

Die Berichterstattung zu Bundesratswahlen nimmt über die letzten Jahrzehnte deutlich zu. Gemäss Linards Udris, Jens Lucht und Jörg Schneider von der Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) ist die zunehmende kommerzielle Medienlogik Grund dafür. Bundesratswahlen entsprechen dieser Medienlogik, da sie es erlauben zu personalisieren und über ein Kopf-an-Kopf-Rennen zu berichten. Das sagt die Theorie.
Im Fall der jüngsten Bundesratswahlen nahmen es aber die wenigsten Politikinteressierten den Medien ab, dass die Bundesratswahlen Spannung versprachen. Dies zeigt ein Blick auf die Wahlwahrscheinlichkeiten der verschiedenen Kandidaten, welche auf dem Prognosemarkt von 50plus1 seit anfangs August gehandelt wurden (siehe Abbildung).

Über den ganzen Zeitraum sahen die etwa 150 Teilnehmer Ignazio Cassis als den wahrscheinlichsten Nachfolger von Didier Burkhalter. Mit kurzer Ausnahme wurde seine Wahlwahrscheinlichkeit bei über 60 Prozent gehandelt. In der letzten Woche vor der Wahl waren es sogar über 80 Prozent. Nur etwa während einer Woche galt Isabelle Moret als ernsthafte Konkurrentin. Für Medienliebling Pierre Maudet traf dies nie zu. Und auch an eine “wilde Wahl” der Tessinerin Laura Sadis glaubte fast niemand.
Tatsächlich wurde die Wahl schon im Juli entschieden, als die Tessiner FDP entschloss, nur Ignazio Cassis zu portieren. Was darauf folgte, waren zwei quälend lange Monate, in welchen wenig beneidenswerte Journalisten die Spannung hochhalten mussten. Mit der souveränen Wahl von Ignazio Cassis ist das Medienspektakel heute endlich zu einem Ende gekommen.