Referendum in Katalonien: Anmerkungen zu meinem Kommentar in der NZZaS

In meinem Kommentar in der NZZ am Sonntag habe ich geschrieben, dass aus Sicht der politischen Philosophie, eine Sezession Kataloniens und damit auch das Unabhängigkeitsreferendum nicht legitim und damit auch nicht demokratisch ist. Einige der Aussagen dazu konnte ich aus Platzgründen nur teilweise ausführen. Hier deshalb ein paar Ergänzungen:

1. Gibt es wirklich einen Konsens in der politischen Philosophie, dass die nach Unabhängigkeit strebende Nation klar abgrenzbar, Unterdrückung und eine stabile Mehrheit für die Unabhängigkeit vorhanden sein müssen?

Insbesondere aufgrund der dominanten Stellung des liberalen Nationalismus in der Theorie scheint mir das zumindest für Kontexte wie jenen Kataloniens weitestgehend der Fall zu sein. Allerdings gibt es auch eine Position, welche das Recht auf Unabhängigkeit primär aus dem Mehrheitswillen ableitet. Aber auch nach dieser Position wäre das Referendum in Katalonien nicht legitim, denn auch die zukünftige spanische Minderheit innerhalb Kataloniens müsste das Recht auf Abspaltung haben. Dies entspricht aber nicht der Absicht der katalanischen Separatisten, denn in diesem Fall würde möglicherweise Barcelona nicht einem unabhängigen Katalonien angehören. Ausserdem scheint diese Position nur konsistent, wenn – wie im Fall des Juras – alle mehr oder weniger direkt Betroffenen über die Sezession befinden können müssten. Das hiesse also, dass alle Spanier über das Recht verfügen müssten, über die Unabhängigkeit Kataloniens zu befinden. Auch dies ist nicht die Absicht der Separatisten.

2. Ist wirklich eine Mehrheit der Katalanen gegen die Sezession?

Ja, gemäss der im Artikel genannten Umfrage des Centro de Estudios de Opinión de la Generalitat (CEO), welche von der nationalistischen Regionalregierung in Auftrag gegeben wurde, war bereits im März eine relative Mehrheit dagegen (48,5% vs. 44,3%). Dies sind die Daten für die im Referendum vorgesehene Frage mit nur zwei Antwortmöglichkeiten (Unabhängigkeit Nein vs. Ja). Erhalten die Befragten aber noch andere Antwortkategorien wie zum Beispiel die Möglichkeit für einen Teilstaat in einer spanischen Föderation, dann schrumpft der Anteil, welcher sich für die Unabhängigkeit ausspricht in der letzten Umfrage auf 34,7%.

3. Werden die Katalanen wirklich nicht unterdrückt?

Nein, vor allem was die Sprachpolitik angeht, dreht sich die wissenschaftliche Diskussion darum, ob diese nicht die spanischsprachige Minderheit in Katalonien unterdrückt. (Inwiefern die Sprachpolitik der katalanischen Regionalregierung gegenüber den Spaniern ausserhalb Kataloniens diskriminierend wirkt, wurde meines Wissens nicht untersucht). Ökonomen haben ausserdem ausgerechnet, dass aufgrund der Sprachpolitik in Katalonien das Beherrschen des Katalanischen den Lohn um mehrere Prozentpunkte erhöht.