Der Schweizer Parteientracker: Die Wählerstärke der Parteien im Trend

Von Oliver Strijbis und Maxime Walder

Das eidgenössische Parlament befindet sich in der Mitte der Legislatur. In zwei Jahren wird ein neues Parlament und ein neuer Bundesrat gewählt. Wie haben sich die Parteistärken seit den letzten Wahlen verändert und was ist der aktuelle Trend? In den meisten westlichen Demokratien wäre so eine Frage schnell beantwortet. Ein Blick auf die meist Duzenden Umfragen über die letzten Monate würde genügen. In der Schweiz hingegen werden nur sehr sporadisch Umfragen zu den Parteipräferenzen durchgeführt, weshalb wir Politologen auf diese einfache Frage oftmals keine Antwort haben. Um etwas Licht ins Dunkle zu bringen, veröffentlichen wir daher von nun an regelmässig Daten zu Parteipräferenzen aus den Leserbefragungen, die wir jeweils vor den eidgenössischen Abstimmungen durchführen.

Im Rahmen unseres Projektes SPS Garage befragen wir die Leserinnen von Blue News jeweils vor den Abstimmungen zu ihren Stimmabsichten. Wir befragen sie dabei aber nicht nur nach ihren Präferenzen bei den eidgenössischen Vorlagen, sondern auch welche Partei sie wählen würden, wenn am nächsten Sonntag Wahlen stattfinden würden. Damit können wir die Parteipräferenzen über einen längeren Zeitraum messen. Dabei gewichten wir die Daten so, dass sie mit Bezug auf den Wahlentscheid bei den letzten Nationalratswahlen und Abstimmungen die Wähleranteile repräsentieren. Weil wir ausschliesslich Leserinnen von Blue News befragen und unsere Gewichtung nicht perfekt ist, sind unsere Daten nicht vollständig repräsentativ. Gleichzeitig sind die Samples aber sehr ähnlich, was sie gut vergleichbar macht. Daher sollte es mit den Daten möglich sein, zumindest den langfristigen Trend in den Parteistärken wiederzugeben.

Abbildung: Parteipräferenzen über die Zeit

Wie der ersten Abbildung entnommen werden kann, sind die Parteipräferenzen trotz Corona während dem letzten Jahr recht stabil geblieben. Am ehesten gewinnt die GLP auf Kosten der SP Wähleranteile hinzu. Die Verschiebungen sind aber recht klein und entsprechend unsicher. Allerdings gibt es zwei klare Abweichungen («Ausreisser») in der Zeitreihe: Der hohe Wert für die SP im Februar 2021 und die mehr als 27% der Befragten, welche im Mai 2021 angaben, dass sie die SVP wählen würden. Diese beiden Werte können mit den jeweiligen Abstimmungen erklärt werden, die zu diesen Zeitpunkten zur Debatte standen: Im Februar 2021 war die Konzernverantwortungsinitiative (Kovi) in aller Munde während im Mai desselben Jahres die Kampagnen bezüglich der Trinkwasser- und Pestizidinitiative in vollem Gange waren. Bei der Kovi war die Linke überdurchschnittlich stark mobilisiert, bei den Pestizidinitiativen vor allem die Gegner aus dem rechten Lager. Wie die Zahlen zu den letzten Umfragen zeigen, sind diese Mobilisierungseffekte mittlerweile aber wieder verpufft.

Abbildung: Parteipräferenz in Abhängigkeit des Wahlentscheids bei den Nationalratswahlen 2019

Passend zur Stabilität in den Parteipräferenzen geben die meisten Wählerinnen an, dass sie aktuell die gleiche Partei wählen würden wie sie es 2019 getan haben. Wie die zweite Abbildung zeigt, kommt es am ehesten zu Verschiebungen in beide Richtungen innerhalb der Linken und zwischen den bürgerlichen Parteien. Die einzige Partei, welche auf Zuwanderung von Wählerinnen linker und bürgerlicher Parteien hoffen kann, ist die GLP. Dies erklärt sich damit, dass die GLP bei ökologischen und gesellschaftspolitischen Themen den Grünen und der SP nahesteht, mit Bezug auf sozial- und wirtschaftspolitischen Themen hingegen bürgerlich politisiert.

Methode: Die Daten für die erste Abbildung stammen aus Umfragen, welche vor den letzten sechs Abstimmungen durchgeführt wurden. Insgesamt wurden die Antworten von 23’814 Respondentinnen ausgewertet. Die Daten für die zweite Abbildung stammen von 3’675 Interviews aus der Abstimmungsumfrage, welche zwischen dem 10. und 15. November 2021 auf Blue News durchgeführt wurde. Die Ergebnisse sind zwar nicht repräsentativ für die Schweizer Bevölkerung, wurden aber auf Basis des Wahlergebnisses der Nationalratswahlen 2019 und der Abstimmungsergebnisse gewichtet.